A1780 Kommandoposten Gstaad «Schweizerhof»
Die 1. Division bezog während des Aktivdienstes einen Kommandoposten in Gstaad (Oberbort). Der Tarnname war «Mad», die Anlage erhielt später die Kennzeichnung A1780 – und hatte noch eine bewegte Geschichte vor sich.
Das Dispositiv der Schweizer Armee sah vor, dass die 1. Division im Aktivdienst die Eingänge ins Reduit von Greyerz her sperrte. Der Kommandoposten der Division wurde in Gstaad errichtet. Hinter dem Luxushotel Palace wurde eine offenbar relativ einfache Kaverne ausgebrochen. Details über die Anfänge der Anlage sind leider noch nicht aufgearbeitet, im Bundesarchiv werden sicher noch einige Akten dazu schlummern…
Ob die nach dem Krieg neu gebildete Reduitbrigade 21 die Anlage noch nutzte und wenn ja, für was, ist ebenfalls unklar. Dies ist jedoch wahrscheinlich, da eine AGFA-Nummer vergeben wurde.
Das Leben nach dem Aktivdienst
Recherchen zeigen auf, was dann in Gstaad passierte. Diese Informationen stammen aus dem Buch «Vom Giftgas zur Atombombe» von Rainer v. Falkenstein (1997) sowie aus verschiedenen Ausgaben des Bundesblattes mit Bauprogrammen. Anfang der 1950-er Jahre war man der Ansicht, dass die Armee ein leistungsfähiges Kriegslabor brauchen könnte. Im Aktivdienst waren die Labore in Wimmis und Brienz angesiedelt gewesen. Letzteres wurde in einer stillgelegten Fabrik betrieben. Eigentlich nur für den Ernstfall vorgesehen, wurde Brienz ab 1941 durchgehend benutzt. Dort wurde vor allem Kampfstoffchemie betrieben. All diese Installationen in Wimmis und Brienz waren oberirdisch angelegt und in einem modernen Krieg nicht mehr zu verwenden.
Ins Auge gefasst wurde deshalb der ehemalige Kommandoposten der 1. Division in Gstaad. Personal und Material der L+W (Laboratorium Wimmis) hätte im Ernstfall dorthin umziehen sollen. Mit Bundesbeschluss vom 18. März 1959 wurde vom Parlament ein Kredit von 2,92 Millionen Franken gesprochen, mit welchem die Kaverne ausgebaut werden konnte. In seiner Funktion als KP waren offenbar nicht einmal Unterkünfte vorhanden gewesen. Fertiggestellt wurde die Anlage 1962 und dann der ABC-Sektion übergeben.
Ausbaupläne – und das Ende
Aufgrund der Erfahrungen des ersten Wiederholungskurses wurden weitere Bauten geplant: Oberirdische Probenaufbereitungslabor, Offiziers- und Mannschaftsunterkünfte, Ess- und Büroräume sowie Magazine. Begründung: «Das Zentrallaboratorium dient nicht nur der Armee, sondern auch dem Zivilschutz. Die Probleme, die sich im zivilen Sektor für die Erkennung neuer Kampfmittel auf dem Gebiete der ABC-Waffen sowie der Schutz- und Abwehrmassnahmen stellen, sind im wesentlichen die gleichen wie für die Armee. In Friedenszeiten stehen die Anlagen für die Durchführung von Fachkursen des ABC-Dienstes sowie für weitere Kurse der Armee zur Verfügung.»
Der Kredit von 3,97 Millionen Franken wurde 1964 bewilligt, jedoch der Bau noch zurückgestellt. In dieser Zeit wurde die Zweckmässigkeit der Kaverne für das Armeelabor in Bezug auf Ventilation- und Strahlenschutz in Zweifel gezogen. Bereits 1962 wurde eine Liegenschaft in Lattigen – der Munitionsfabrik Wimmis gehörend – als Standort in die Planung einbezogen (eventuell wurde dieses Gelände im Aktivdienst zur Lagerung von Yperit und Übungen mit diesem Giftgas genutzt).
1967 wurden die Ausbaupläne für Gstaad überprüft – und storniert. Der geplante Umbau sei untauglich, der Gasschutz der bestehenden Anlage falsch konzipiert und die Konzeption der Aussenbauten als fragwürdig eingestuft. 1968 wurde entschieden, eine neue Lösung für das Labor zu suchen. Der Weg für das heutige ABC-Labor respektive Labor Spiez war frei, wobei der Kredit von 74,2 Millionen Franken erst 1974 bewilligt wurde. Die zweite Bauetappe begann 1977, die Einweihung fand 1981 statt. Auf diesen Zeitpunkt sei die Gstaader Anlage vom Labor freigegeben worden. Im Altlastenkataster des VBS wird heute für den Standort Oberbort/Gstaad eine Verarbeitung von Chemikalien/Pharmaka aufgeführt.
Noch einmal: Geheimnisse im «Schweizerhof»
Doch die spezielle Nutzung ging noch weiter. 1983 bezog die geheime Kaderorganisation P-26 die Anlage unter dem Decknamen «Schweizerhof», nachdem sie für kurze Zeit das ehemalige Artilleriewerk Krattigen (Deckname «Rosengarten») zur Ausbildung benutzt hatte. Die Anlage wurde unter anderem mit einem grossen Schiesskeller nachgerüstet, der nach der Aufdeckung der P-26 für das Training des Festungswachtkorps und von Polizeikorps genutzt. In Friedenszeiten wurden dort die P-26-Mitglieder ausgebildet, in Kriegszeiten wäre der «Schweizerhof» als Führungsanlage des Inlandstabes P-26 genutzt worden.
Auf dem Flugplatzgelände Saanen wurde für den «Schweizerhof» eine abgesetzte Funkanlage in einem Unterstand installiert (A1781?/SF Annex).
Mehrere Fernsehsendungen zeigten bisher Bilder aus dem «Schweizerhof». Heute ist in der Anlage ein nicht-öffentliches Museum über die verschiedenen Widerstandsorganisationen der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet. Der Zugang ist jedoch stark begrenzt, da die Informationen über die P-26 vom Bund noch lange unter Verschluss gehalten werden.
In der Zwischenzeit stand die Anlage auch zum Verkauf. Unter anderem soll der Formel 1-Chef Bernie Ecclestone Interesse gezeigt haben. Der Verkauf wurde jedoch gestoppt – mutmasslich mit dem Hintergrund, dort das P-26-Material einzulagern.