Evakuierungen im Kriegsfall: Der Bauernverband
Im Bundesarchiv hat es diverse Dossiers, die sich mit Evakuierungen im Kriegsfall befassen. Dabei geht es nicht nur um den Umzug politischer und militärischer Dienststellen aufs Lande respektive ins Reduit, sondern beispielsweise auch um das Sekretariat des schweizerischen Bauernverbandes (ein Verein mit Sitz in Brugg).
Trubschachen als Kriegsstandort der Bauern
Vorbereitet wurde Ende 1939 und 1940 die Evakuierung nach Trubschachen, Evakuierungschef war Jakob Käch. Verschiedene Schreiben belegen, dass der Bauernverband mit privaten Liegenschaftsbesitzern über die Unterkünfte verhandelte. Diese Zimmer wurden zwar reserviert, aber sollten natürlich erst ab einem Bezug bezahlt werden müssen. Auch das zu evakuierende Personal (7 Herren und 14 Fräuleins) waren namentlich festgelegt. Essgeschirr, Wolldecke, Taschenmesser, Verbandsmaterial, private Kleider und Identitätskarte sollte jeweils in einem Rucksack (maximal 30 kg Gewicht) mitgenommen werden.
Die Vorbereitungen
Der Platz am vorgesehenen Bestimmungsort Trubschachen war nicht im Übermass vorhanden. Zudem waren dort oftmals Truppen einquartiert. Es musste also gut überlegt werden, wer und was an Material evakuiert werden sollte. Und minutiös wurden Seiten um Seiten mit Inhaltsverzeichnissen zusammengestellt, man ging von etwa 25 Kisten aus.
Jeder Abteilung respektive jedem Büro waren eine Anzahl von Kisten zugeteilt, die sie im Ernstfall mitnehmen durften – inklusive Festlegung der Masse sowie Kennzeichnung. Herr Dr. Borel beispielsweise erhielt eine Kiste Grösse I (44x74x31 cm, Gewicht ca. 50 kg) sowie zwei verschliessbare Koffern von 40x72x27 cm zugeteilt. Die Kisten wurden beim Pestalozziheim Neuhof in Birr bestellt, alle «beidseitig gehobelt, in 15 mm Holz, ohne Beschläge».
In der Kiste B.V. 206 aus dem Bureau von Herrn Dr. Howald und Herrn Aebi wurde versorgt: Akten aus Pult-Schublade, rechts; Akten der laufenden Arbeiten; wichtigste laufende Korrespondenzen; Vorlesungsmaterialien; Akten Rossberg, Verträge und einige Mappen aus dem Bureau von Herrn Aebi. In der Evakuierungskiste 201 waren alle Unterlagen über die Kasse versorgt, zum Beispiel das Postcheckbuch und in Kiste 202 das «Goldene Buch der Donatoren». Im Januar 1940 wurden probehalber alle Kisten einmal gepackt.
Erkundungen vor Ort
Im Februar 1940 wurden die getroffenen Massnahmen vor Ort in Trubschachen rekognosziert. Das Sekretariat des Verbandes wäre im Hotel Bahnhof untergebracht worden, dafür wurden die Zimmer ausgemessen. 25 Franken pro Monat hätte berappt werden müssen. Eine Vorauszahlung sei nicht nötig, wenn dafür im Hotel gespeist würde. «Es ist dies übrigens sozusagen die einzige Möglichkeit im Dorfe Trubschachen eine gute Pension zu erhalten.» Weitere Zimmer könnten eventuell in einer privaten Wohnung angemietet werden, dafür würden sich aber auch zwei Familien aus Basel interessieren – für ihre persönliche Evakuierung im Ernstfall.
Im Hotel Bahnhof musste im Mai 1940 extra ein zusätzlicher Telefonanschluss für den Bauernverband eingerichtet werden. Die Abonnementstaxe betrug 6.90 Franken monatlich.
Im Mai 1940 wurde dem Eidgenössischen Kriegsfürsorgeamt mitgeteilt, dass die Massnahmen mit dem Evakuationsdienst des Korpsammelplatzes (K.S. Pl.) Brugg sowie dem Kommando des Territorialkreises abgesprochen seien. Als Transportmittel für das Material war im März dem Bauernverband der Lieferwagen von Herrn Franz Meinen, Milchhändler in Umikon, zugewiesen. Die Tragkraft des Fahrzeuges betrage eine Tonne, zudem war ein Reservefahrer instruiert und Ersatzfahrzeuge (Traktor, Pferdezug) bestimmt worden.
Vorher versuchet der Bauernverband in diversen Schreiben, einen Lastwagen der Armee für den Materialtransport zugeteilt zu bekommen und verwies auf den für die Versorgung der Bevölkerung wichtigen Auftrag der Organisation. Doch das Armeekommando wies diese «militärische» Evakuierung ab.
Der Ernstfall tritt ein
Am 10. Mai 1940 starteten die Deutschen den Westfeldzug, In der Schweiz stieg die Spannung. Am 16. Mai wurden sieben Angestellte des Bauernverbandes mit der Bahn von Brugg nach Trubschachen geschickt, um die dortigen Büros einzurichten – für das Zentralsekretariat sowie die Zentralstelle für Schlachtviehverwertung. Durch die militärische Belegung waren nicht alle Unterkünfte nutzbar, doch «es gelang schliesslich doch in ganz zufriedenstellender Weise». Interessant ist der Hinweis, dass Trubschachen mit seinen damals 1400 Einwohnern allenfalls noch «1200 Zwangsevakuierte aus der Ostschweiz» aufnehmen müsste.
Ebenfalls spannend ist, dass sich die Genossenschaft «Landwirtschaftliches Bauamt des schweizerischen Bauernverbandes» bereits im Dezember 1939 entschieden hatte, im Handelsregister vorsorglich eine Eintragung zu machen, um im Kriegsfall den Sitz der Genossenschaft an den Ort der schweizerischen Regierung zu verlegen. Es stellte sich dann auch die Frage, ob die PTT die Post auch an diesen neuen Sitz sicherstellen könnte…
Und dann…?
Ein Schreiben vom 26. Juli 1940 an einen der Vermieter in Trubschachen zeigt dann, dass die Zimmerreservierungen wieder rückgängig gemacht wurden, da «wir die Evakuierungsmassnahmen abbauen». Zudem waren Vorbereitungen am Sitz des Bauernverbandes in Brugg gemacht worden, beispielsweise Akten in den Keller gezügelt und die dortigen Schutzplätze respektive Fenster mit Sandsäcken gesichert. Ob später erneut Evakuationsbemühungen nötig waren, ist eher unwahrscheinlich.