Gasschutz im Simplontunnel für die Minen-Mannschaften
Bereits beim Bau der beiden Röhren des Simplon-Bahntunnels wurde an eine Sprengung im Kriegsfall gedacht. Entsprechende Vorrichtungen wurden eingebaut. Für die Bedienungsmannschaft musste der Schutz vor einem bewaffneten Überfall berücksichtigt werden, aber auch der Schutz vor Giftgas. Entsprechende Pläne wurden ab 1935 ausgearbeitet.
Im Aktivdienst 1939-45 war die Gebirgs-Grenz-Füsilier-Kompanie V/209 für die Wache im Simplon-Bahntunnel eingeteilt. Dies bedeutete, dass die Soldaten einen Grossteil des Dienstes beim Tunnelportal oder an der Grenze zu Italien im Tunnel selber verbrachten. Dabei kam das Thema des Gasschutzes auf. Im April 1940 bestätigte die Sektion für Gasschutz im Armeekommando der Gebirgsbrigade 11, dass im Zeughaus Brig die Einlagerung von 24 Sauerstoffgeräte mit Zubehör sowie Sauerstoffflaschen vorgesehen sei, diese aber noch beschafft werden müssen.
Bisher bestand der Gasschutz im Tunnel ausschliesslich aus der persönlichen Ausrüstung der Soldaten (Gasmasken) und der Tunnelventilaton, mit der Gas von Norden in den Süden gedrückt werden konnte. Das sei aber ungenügend, da die Masken beispielsweise nicht gegen Kohlenoxydgase schütze, die bei Sprengungen im Tunnel entwickelt würden, und die Ventilatoren vom externen Strom des Kraftwerks Massaboden abhängig seien.
Plan des Sprengobjektes beim Nordportal des Simplon-Tunnels.
Die Vorkehrungen
Bei Beginn der Tunnelwache würde in einem der beiden Sprengstoffmagazine eine «Sauerstoff-Zentrale» eingerichtet, die beschafften 24 Geräte verteilt auf die Tunnelmitte (12), den Querstollen 10 bei Kilometer 2 (6) sowie als Reserve beim Tunneleingang Nord (6). Für den ganzen Gasschutz im Tunnel seien 30 Mann sowie ein Offizier im Gasdienst auszubilden, wurde 1935 festgehalten.
Die Gassektion macht zudem den Vorschlag, den Richtstollen des Tunnels abzudichten, die beiden Sprengstoff-Magazine (für die Sprengobjekte* im Tunnel) mit Kollektivmaskenschutz auszurüsten sowie die Querstollen 10 und 40 zwischen den beiden Bahnröhren als Aufenthaltsräume für die Besatzung abzudichten. Zudem müssten die Zugänge zu den Minenkammern aus den Verbindungsstollen abgedichtet werden.
Nicht verändert werden soll die Tunnelventilation. Im Normalfall genüge diese, Luftkampfstoffe (also Giftgas) im Bereich des Nordportals fernzuhalten. Die Zuteilung von Anzeigegeräten werde noch studiert, vorerst genüge es, wie in Bergwerken kleine Tiere zu halten – zum Beispiel Mäuse oder Kanarienvögel.
Dieses Vorschläge basieren auf der bereits im September/Dezember 1935 begonnenen Planung für den Gasschutz im Simplontunnel. Darin wurde die Abdichtung von Richtstollen und Sprengstoffmagazin mit entsprechenden Türen vorgeschlagen.
Die Pläne
Konzeptplan 1935: Richtstollen als gasgeschützter Aufenthaltsraum für die Minenmannschaft.
Die Planung von 1935 – kollektiver Gasschutz für 100-200 Mann in einem Raum (Richtstollen) sowie Kollektiv-Maskenschutz für die Verteidigungsstellung hinter dem Panzertor – musste 1940 detailliert und überarbeitet werden, da sich die Bedingungen im Tunnel geändert hätten und die technische Entwicklung beim Gasschutz vorangeschritten sei. Eine Zusammenstellung vom Juni 1940 listete Kosten von 92’000 Franken für dieses Projekt («Ausbau des Richtstollens und der Nebelstollen für einen Schutzraum») auf.
Konzeptplan 1940 für den Gasschutz im Tunnel.
Da im Richtstollen Mitte 1940 irgendwelche Arbeiten liefen (eventuell Umbau des Sprengobjektes), wurde dann aber erneut umgeplant. Das Panzertor wurde nun nicht mehr verteidigt, der Richtstollen nicht mehr als geschützte Unterkunft benutzt. Die Mannschaft sollte bis zum Kampf die Schiessscharten geschlossen halten und während des Kampfs die Ventilation der Sprengstollen oder Handventilatoren zur Belüftung einsetzen!
Was wurde tatsächlich gebaut?
Im Dezember 1940 stellte die für die Berechnungen und Planungen beauftragte Firma G. Schindler aus Zürich (Ingenieurbureau für Gas- und Feuerschutzanlagen) eine Rechnung an die Gebirgsbrigade 11 für die Projektierung des kollektiven Gasschutzes im Tunnel über 900.80 Franken. Dies lässt den Schluss zu, dass wohl der kollektive Schutz der Mineurmannschaft des Sprengobjektes beim nördlichen Tunnelportal nicht realisiert wurde. Dazu fehlen aber im Moment noch die bestätigenden Unterlagen.
* Das Sprengobjekt 1599 (Zerstörungsdetachement 35) im Doppelspur-Bahntunnel umfasste 1943 ingesamt 28 Stollenminen in den Wänden sowie 56 Stollenminen im First, total 60,8 Tonnen Trotyl. Die Minenkammern wurden später auf das permanente Sprengdispositiv PSD75 umgebaut und in den Jahren 2000/2001 liquidiert.
Quelle: Bundesarchiv E27#1000-721#19804 / Die Wunderwaffen der Schweizer Armee von Jürg Trick / Puzzle (FWK-Zeitschrift)