Panzertüren öffnen sich…

Ende 1945 erlaubte das EMD wohl zum ersten Mal einen «Blick in unsere Gotthardbefestigung» – so der Titel des doppelseitigen Beitrags in der Schweizer Illustrierten vom 28. November 1945.

Der Text zu den Fotos war nur kurz: «Tanksperren. Drahtverhaue und im Hintergrund getarnte Bunker – das ist alles was unten im Tal, von einer unserer unterirdischen Städte von aussen zu sehen ist. Das felsige Innere des Berges aber ist von einem Labyrinth von sinnvoll angelegten Gängen, Räumen und Hallen durchzogen. Hoch oben, tausend Meter über dem Talgrund, verschwindet eine Seilbahn im Felsen. Tag und Nacht hat sie während Jahren erst Baumaterial dann Munition und Nahrungsmittel aus dem Tal in das Innere des Berges hier oben befördert, so dass die unterirdische Stadt mit allem Nötigen für viele Monate versorgt und versehen war.

Jeder von uns hat während des Krieges vorn Reduit gesprochen, und jeder legte sich den Begriff dieser Abwehrstellung nach seinem Gutdünken aus. Denn der Kern unserer Abwehrstellung war nur den Eingeweihtesten der Eingeweihten bekannt. Was wir andern zu sehen bekamen, war wenig mehr als bloss  Tanksperren und getarnte Bunker. Auch im Innern der Berge tobte aber während der letzten Kriegsjahre eine wilde Arbeitsschlacht. In zermürbender Arbeit wurden Räume und Gänge dem harten Granit abgetrotzt. Meter um Meter rangen die Mineure sich in den Berg. Dynamit zerriss den Felsen, und in Tag und Nachtschichten wurde so ein Werk geschaffen, das sich in jeder Hinsicht den grössten seiner Art im Ausland zur Seite stellen kann.

Ganze unterirdische Städte sind in die Felsen gehauen worden. Bäckereien, die den Bedarf einer kleinen Stadt decken, Schlafräume, die grösser und weiter sind als unsere Hotels, Munitionsmagazine mit kilometerweiten Gängen, ja, selbst Spitäler mit den allerletzten Neuerungen stehen der Armee im Reduit zur

Verfügung. Was sich nach aussen hin als klein, unscheinbar und hässlich zeigte, erwies sich im Innern als ein Wunder solider und technisch überlegener Arbeit. Mancher Soldat stand vor einer kleinen Panzertüre und wusste nicht, dass er die Pforten einer unterirdischen Stadt bewachte. Alle die Millionen, die wir hier «verlochten», sind nicht umsonst ausgegeben. Keine Festung der Welt steht so fest wie unser Reduit. Denn die Decken unserer Kasematten, die Brustwehren unserer Geschützstellungen sind Granit, felsiger Stein unserer Alpen, unvergänglich wie die Berge selbst.

Alles war für den Ernstfall bereit – auch das Spital. Tief unter gewachsenem Felsen, wo keine Fliegerbombe, keine Granate die Hand des Chirurgen erschüttern würde, liegen die blitzblanken Operationsräume. Ein gütiges Schicksal bewahrte unsere Armee vor der Notwendigkeit, von ihnen Gebrauch machen zu müssen.»

Wie im Bundesarchiv nachzulesen ist, hat die englische Agentur Reuter für Bilder von Schweizer Reduitfestungen für einen Medientext angefragt und die Armee schickte eigens dafür einen Fotografen los. Der Chef der Sektion Festungsbau im Generalstab – Oberst Brändli – erlaubte die Publikation auch in der englischen Presse, weil «die Meinung hinsichtlich den Leistungen der Schweiz nicht eben günstig ist. Man hat dort, wie dies in der Schweizer Presse schon festgestellt worden ist, lediglich die Meinung, die Schweiz hätte durch den Krieg gewissermassen nur profitiert und vor allen Dingen den Deutschen geholfen durch ihre Lieferungen. Es ist mehr als notwendig, jene angelsächsische Öffentlichkeit aufzuklären über die militärischen Anstrengungen unseres Landes zur Selbstbehauptung unserer Nation.»