Sperrstelle 2118 – Einigen

Die Sperrstelle Einigen war einer der zentralen Abwehrpunkte der Gruppe Kander der 3. Division. Zahlreiche verbunkerte Waffen – vor allem zur Panzerabwehr – sowie eine Verstärkung des tiefen Kandergrabens sollten einen anrollenden Feind stoppen.

Die Gruppe Kander

Das Solothurner Infanterie Regiment 11 – gemäss TO36 mit den Füs Bat 49, 50 und 51 in der 4. Division – wurde mit dem Op Befehl Nr. 12 als Verstärkung der 3. Division unterstellt. Das Regiment bezog – als Gruppe Kander – am 22. 8.1940 seinen neuen Verteidigungsabschnitt im Raum Spiez-Wimmis- Einigen und verteidigte mit seinen Füs Bat 49 und 50 die Kanderstellung. Diese erstreckte sich vom Karte vom 21.10.40 Kanderdelta am Thunersee bis und mit Wimmis. Anschliessend sperrte das Ter Bat 174 das Engnis von Wimmis.

Auftrag Inf Rgt 11, gemäss Befehl vom 23.4.41

  • hält die Kander von der Einmündung in den Thunersee bis Kapf und
  • verhindert jeden Vorstoss gegen Spiez und Wimmis.
  • verteidigt den Höhenkamm Kapf – Brodhüsi – Pt 1327 – Pt 1990 (Nüschleten) inkl. und verhindert jeden Vorstoss über den Heitiberg auf Erlenbach
  • stellt Vorpostierungen auf der Linie Gwatt – Zwieselberg – Pt 1300 sowie zwischen Kapf und Lindenthal
  • sperrt das Engnis von Wimmis Nord und Süd mit Ter Bat 174 um einen Einbruch in oder einen Ausbruch aus dem Simmental zu verhindern
  • überwacht das linke Seeufer zwischen Thun und Spiez
  • klärt auf gegen Jaberg – Uetendorf – Wattenwil
  • Abwehrfront: Kandermündung – Kanderlauf aufwärts bis Zusammenfluss mit Simme – Waldrand NE Pt 1456 – Pt 1456 – Pt1327 – Nüschleten (inkl.)

Sperre Einigen

Der Abschnitt der Kanderstellung umfasste drei Hauptsperren: Einigen, Auwald und Sattelegg. Nachfolgend wird nur die Sperre Einigen (Füs Bat 50) der Kanderstellung detaillierter und exemplarisch betrachtet. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus der Karte «Bauarbeiten 3. Division». Eingezeichnet sind die Bunker und die beiden rückwärtigen FK-Schilde (Feld Kanonen Stände) an der Strasse, der grosse Tankgraben (Teile: a, b ,c), die Tankmauern und die Pyramidensperre entlang der Kander.

Der Einsatz des Füs Bat 50 
Nach einer Besetzungsübung im Kanderabschnitt bezog das Füs Bat 50 am 21.8.40 die neuen Unterkünfte: Bat-Stab und Kp II in Einigen, Stabskp und Kp I in Spiez, Kp III in Gwatt, Kp IV Schoren. Die Begehung des Verteidigungs-Abschnittes am 26.8.40 durch die Herren: Div Kdt, Geniechef und Rgt Kdt zeigt die Wichtigkeit dieses Abschnittes auf.

Beschreibung des Abschnittes 
Das Tagebuch des Füs Bat 50 enthält eine treffende Beschreibung des Abschnittes durch den Kdt: «Die Abwehrfont des Bat zieht sich hinter der Kander durch. Die rechte Abschnittsgrenze bildet der Thunersee, daran schliesst sich das Kanderdelta an, das beim Einfluss eine Breite von ca. 250 m aufweist. Oberhalb der beiden Kanderbrücken (Hauptstrasse und Bahnlinie Thun-Spiez) ist das Bachbett tief eingeschnitten und bildet ein ausgezeichnetes, natürliches Hindernis. […] Ein Abschnitt – wie der beschriebene – muss und kann von einem Bat gehalten werden.»

Im Bericht des Verbindungsoffiziers wird auch die grösste Schwachstelle im Dispositiv der 3. Division im Sommer 1940 erwähnt: «Die gefährlichste Stelle, wo sich das Gelände auch für einen Tankangriff im Grossen eignet, ist der untere Kanderabschnitt, da er nicht von Natur aus stark ist …». Gemeint war damit der Abschnitt: Kanderdelta bis Kanderbrücken.

Erste Bauarbeiten 
Am 29.08.40 wurde – nach dem die Feuerpläne und Bauperioden geplant waren – mit den Schanzarbeiten begonnen, wobei 500-600 Mann eingesetzt wurden. Die Mg- und Mw-Stellungen wurden feldmässig und offen gebaut – es durften keine Holzbauten erstellt werden – und die Ik mit Sandsäcken geschützt.

Manöver und Erkenntnisse 
Mit realistischen Manövern – denen auch KKdt Miescher und Div Kdt Gugger interessiert folgten – wurden die Stellungen des Bataillons überprüft wie die nachfolgende Beschreibung des Ablaufs aus dem Tagebuch bezeugt: «Am 6.9.40 beginnt das Art Feuer des Angreifers auf den linken Abschnitt und seine Mg werden unsichtbar in Stellung gebracht. Die Sap bereiten einen Steg über die Kander vor. […] Nun rattern die Mg links und unter diesem Schutz werfen die Sap mit grosser Behendigkeit ihre – mit leeren Fässern Stangen und Brettern – verfertigten Stege in die Kander. Zeitgleich erscheinen die Flieger (Messerschmitt und Moran) und verdichten im Tiefflug das Feuer der Mg und zwingen den Verteidiger in Deckung. Schon stürmen die Leute der II. Kp über die Stege […] Zur Ausweitung des Erfolges werden – als weitere Phase – zusätzlich noch vier Tanks eingesetzt. Diese durchfahren die Kander an wenig tiefen Stellen und stossen über Einigen Richtung Pkt 690 vor. […]»

Die geschilderten Manöver hatten den Schwachpunkt im Delta der Kanderstellung aufgezeigt. Ziel war nun im Abschnitt des Füs Bat 50 „diese Front so stark wie möglich machen“. Die 3. Division beauftragte zivile Unternehmer – während der Beurlaubung der 3. Div – schwere Strassensperren und Steckbarrikaden an den Brücken über die Kander sowie Betonpyramiden am Kanderufer zwischen Seestrasse und See zu erstellen. Nach der erneuten Mobilmachung der 3. Div (3.11.40) und den anschliessenden Manövern, bei dem die Kanderstellung von Infanterie und Panzern angegriffen aber nicht überwunden wurde, erfolgten erneut Schanzarbeiten an offenen Kampfstellungen und Grabensystemen.

Stand der Bauten 1941 
Nun waren die Tankmauern entlang der Bahn und vom Bahntrassee an den See sowie der Querdamm im Bau. Von den Feuerständen war erst der FK-Stand Kanderbrücke profiliert. Am 13.1.41 waren die Tank-Pyramiden am linken Kanderufer und die Strassensperren an beiden Ufern der Kander fertig gestellt und die Bahnsperre im Bau. Aus dem Protokoll vom 25.3.41 ist ersichtlich, dass die Betonpyramiden.

Änderungen am Dispositiv 
Am 26.5.41 standen Bat und Kp Kdt dem Kdt Rgt 11 im Abschnitt zur Verfügung und es reifte – aufgrund der bisherigen Kriegserfahrungen – der Entschluss, die vordersten Feldstellungen nur verhältnismässig schwach zu besetzen und grosse Reserven in der Tiefe für allfällige Gegenstösse an den Brennpunkten des Kampfes bereit zu halten.

Permanente Befestigungsbauten 
Nun wurden durch die Truppe Bauten aus Beton erstellt. Damit der Leser einen konkreteren Eindruck von den durch die Truppen ausgeführten Arbeiten erhält, erfolgen kurz einige Detailangaben zum Bau im Oktober 1941. Am 22.10.41 steht im Tagebuch: «Die Schicht arbeitet weiter (bis 04:00) und der Uof bleibt ohne Befehl 27 ó Std. auf der Baustelle.» Das Betonieren eines Sturmtruppen-Unterstandes (Röhrenbunkers) z.B. dauerte zwischen 20 und 30 Std. Die Füs Kp I/50 arbeitete gemäss Tagesbefehl im 4-Schichtenbetrieb bei Benzin- und Karbid-Beleuchtung.

Das Gros des Füs Bat 50 betonierte und errichtete im Oktober 1941 im Abschnitt Einigen: 5 Ik-Bunker, 3 Sturmtrupp-Unterstände und einen Röhrenbunker. Einige Zahlen: 1370 m3 Aushub, 1640 m3 Kies, 410 Tonnen Zement, 269 m3 Schal- und Gerüstholz, 6 Betonmischer, 3 Kompressoren, 5 Vibratoren und 200 m Rollbahn. Zudem kamen 5000 Rollen Stacheldraht und 1800 Pfähle zum Einsatz. Die Anlagen wurden wie folgt fertiggestellt:

  • Strassen-/Bahnsperre, Tankmauer entlang der Bahn: Juli 41
  • Steckbarrikaden, Pyramiden im See: Oktober 41
  • Fünf Feuerstände: November 41
  • Tankmauer Bahn bis See Dezember 41

Die fünf Feuerstände (Mg, Beob, Lmg): Bahnbrücke, Holeeweg, Station, Kanderschlucht und Waldegg wurden am 16.2.43 dem FWK übergeben.

Der grosse Tankgraben 
Am 11.9.40 begann ein Bagger der Kanderkies AG an der Verlängerung des Duttweiler-Kanals welcher als Tankhindernis (Teil a) dienen sollte. Dieser Bau war nicht unproblematisch, da sich hier die Wasserfassung der Gemeinde Spiez befand/befindet und diese beim Bau hätte beschädigt werden können.

Aus der Aktennotiz des BBT vom Januar 1941 ist ersichtlich, dass der Bat Kdt mit dem Geniechef 3. Div die Verlängerung des Kanals a um die Teile b & c bis zum Golfhaus plante (heutiger Baustand). Im März 41 war der Aushub des Teils a (unterster Teil) fertig. Im September waren die Mauern des Teils b im Bau und der Aushub des Teil c zu 2/3 fertig gestellt. Erst im Januar 42 waren die Teile a und b fertig und die Abschlussmauer sowie der Teil c waren noch im Bau.

Die Kosten der Bauten
Gemäss Verzeichnis der Verträge 3. Div vom 10.1.48 wurde für die Erstellung des Tankgrabens (Teile a-c) ca. Fr. 360’000 ausgegeben, die Planung im Juli 41 belief sich auf Fr. 468’000. Ein Schwerstand (z.B. Kanderbrücke oder Waldegg) kostete ca. Fr. 105’000. Die grosse Tankmauer in Einigen (entlang der Bahn) ca. Fr. 123’000.

Nach dem Aktivdienst 
Zwischen Einigen und Auwald wurden 1945 die Infanterie-Hindernisse aufgefüllt und das Stahlseil für das zusammenbinden der Pyramiden abtransportiert. Heute ist der Tankgraben nur im untersten Drittel mit Wasser gefüllt, der restliche Graben wurde und wird noch heute laufend aufgefüllt. In neuster Zeit wurden leider auch markante Verteidigungsbauten wie der Mg-Bunker Julia («Einigen-Station») abgebrochen (siehe Text ganz unten). Im Kalten Krieg wurden die Werke (Werk Kp 10) in Einigen durch die Kp II/136 besetzt. Zum Einsatz waren z.B. 1957 die 5 Inf. Bunker und zwei auf 9 cm Pak umgerüstete ehemalige FK-Stände (Strasse und Terrasse) vorgesehen.

Bekannte Objekte

  • T1180 Panzergraben – heute vollständig eingedeckt und teilweise als Biotop umgenutzt. Auf der gegenüberliegenden Kanderseite sind die Toblerone-Höcker teilweise im Schlamm versunken und durch einen neuen Damm überdeckt worden.
  • T1180.09 Barrikade – 614950/173600
  • T1181 Barrikade Strasse
  • T1182 Barrikade Bahn
  • A2008 Feldkanonen-Schild Einigen-Hauptstrasse I, Ost (Eingangs Spiez) – 616175/172850
  • A2009 Feldkanonen-Schild Einigen-Hauptstrasse VIII, West – 615720/173200
  • A2010 Feldkanonen-Bunker Einigen-Bahn (Feldkanone, später Pak) – 615660/173159
  • A2011 Feldkanonen-Bunker Einigen-Terrasse (Feldkanone, später Pak) – 615366/173231
  • A2012 Unterstand Strandweg Ost – 615590/173370
  • A2013 Ik-Schild Kanderdelta/Kanderdamm III – 615525/173905
  • A2014 IK-Schild Kinderkies II (auf Firmengelände Creabeton) – 615505/173680
  • A2015 Infanteriebunker Einigen-Station F24 («Julia», abgebrochen) – 615298/173315
  • A2016 Unterstand Strandweg West – 615280/173365
  • A2017 Ik-Schild Einigen-Strasse I – 615265/173505
  • A2018 Feldkanonen-Bunker Einigen Strasse – 615150/173575
  • A2019 Infanteriebunker Einigen-Holeeweg F23 – 615140/173430
  • A2020 Infanteriebunker Einigen-Waldeck F26 – 615200/173255
  • A2021 Infanteriebunker Einigen-Bahnbrücke F22 – 615055/173520
  • A2022 Unterstand Holeeweg – 615020/173350
  • A2023 Infanteriebunker Einigen-Kanderschlucht F25 – 615020/173300
  • A2024 Unterstand Tierfeld – 614970/173075
  • A2025 Infanteriebunker Kander Terrasse – 614970/172470
  • M2798 Sprengobjekt Autobahnbrücke – 614780/173210
  • M2799 Sprengobjekt Kander-Strassenbrücke – 615040/173660
  • M2800 Sprengobjekt Kander-Bahnbrücke – 615000/173600
  • M2805 Sprengobjekt Tankgraben, Brücke – 615490/173900
  • TXXXX Materialdepot Station (Ost)
  • T1180d Materialdepot Holeeweg – 615210/173450
  • B8589 Materialdepot Am See – 615673/173331
  • B8591 Materialdepot Bahn-Unterführung – 615044/173553
  • B8592 Materialdepot Kanderbrücke, Strasse Ost – 615102/173705
  • B8593 Materialdepot Kanderbrücke Bahn West – 614957/173609
  • B8662 Materialdepot An Hauptstrasse/Tankmauer – 615590/173300

Weitere Informationen über die Bau- und Einsatzgeschichte der Sperren Einigen, Sattelegg, Auwald, Spiezwiler und Wimmis sind in einem  Buch im Verlag HS-Publikationen nachzulesen.


Abbruch von «Julia»

Dass der Abbruch dieses Betonklotzes – mit einer hervorragenden Tarnung als Ferienhaus – im Jahr 2005 nicht nur auf Zustimmung stiess, zeigt der folgende Bericht aus dem «Berner Oberländer» von Hans Rudolf Schneider.

«Julia» hat nie bewiesen, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen ist. Zum Glück, kann man nur sagen. «Julia» ist ein Betonklotz; rund acht mal acht Meter im Grundriss; hat zwei Stockwerke, wovon eines in den Hang reicht; ist mit Holzverschalungen und Farbe zurechtgemacht wie ein nettes Ferienhaus. «Julia» steht in Einigen, gleich neben dem Schulhaus Roggern. Erbaut wurde der Infanteriebunker «Julia» in den Jahren 1941–1943 von einem Bieler Bauunternehmen – zusammen mit einem zweiten für insgesamt rund 100’000 Franken. Und jetzt soll er weg, abgebrochen werden. Die Gemeinde Spiez hat eigens das Grundstück für 10’000 Franken vom Verteidigungsdepartement (VBS) gekauft. Nochmals rund 35’000 Franken sind laut Gemeindepräsident Franz Arnold für den Abbruch nötig. «Julia» ist massiv, hat Wände bis zu drei Metern Dicke, schliesslich sollte der Bau den Schweizer Soldaten Schutz gegen eindringende fremde Mächte und deren Waffen bieten.

Aber nicht alle sind der gleichen Meinung wie der Spiezer Gemeinderat: Roger Siegenthaler wohnt etwas versetzt unterhalb der Ferienhausattrappe. «Der Bunker gehört ins Ortsbild von Einigen.» Er verteidigt «Julia», will den Bunker retten. Verhandlungen mit der Gemeinde haben jedoch keinen Erfolg gezeigt. Deshalb gelangt er an die Öffentlichkeit. «Meine Umfrage bei einigen Anwohnern hat ergeben, dass kaum jemand etwas gegen den Bunker hat, er also nicht stört.» Ob Siegenthaler den Entscheid des Regierungsstatthalters, der Bunker dürfe abgerissen werden, weiterzieht, ist «noch nicht entschieden». Auch das VBS hat sich in Spiez gemeldet, der Bunker sei in einem internen Inventar als schützenswert eingetragen. Doch für Arnold ist klar: «Wäre dies im Kaufvertrag gestanden, hätten wir das Grundstück gar nicht gekauft.» Das VBS hat allerdings auch signalisiert, dass es sich nicht gegen den Abbruch des Bunkers A2015 wehren wird.

Aus Sicht der Gemeinde Spiez ist klar, der Bunker muss weg. Nur so haben die Schüler freie Sicht auf den See. «Der Bunker wurde eindeutig mit der Absicht gekauft, ihn abzureissen.» Die Beschwerde ist für die Gemeinde «ärgerlich», da auch Verzögerungen auftreten. Doch klar ist: «Wenn die Genehmigung rechtskräftig wird, wird dieser Betonklotz abgerissen.» Dem Schutzgedanken könne keine Beachtung geschenkt werden. Das hätte vor dem Verkauf des Infanteriewerkes eingebracht werden müssen.

Einigen mit dem Einschnitt der Kander und dem markanten Abwehrgraben gegen Panzer unterhalb der Staatsstrasse war eine wichtige Sperrstelle am Eingang zum Reduit von General Henri Guisan und der Reduitbrigade. Hier sollte nachhaltig der Vorstoss des Gegners in Richtung Spiez, Interlaken und Lötschbergachse gebremst werden. Die ganze weitläufige Sperrstelle besteht aus mehreren kleinen Bunkern, die sich in die Landschaft und Ortschaft Einigen einfügen – wovon «Julia» optisch die originellste Tarnung hat.»