Tarnung von Gross-Anlagen 1953

Die Schweiz hat nicht nur viele kleine Militärobjekte gebaut, sondern auch zahlreiche grosse Anlagen. Zudem gibt es umfangreiche zivile Infrastrukturbauten, die im Ernstfall geschützt werden müssten. Aktiver Schutz durch Waffen ist eine Möglichkeit, weitgehende Tarnung eine andere.

1952 wurde im EMD intensiv der Schutz von Staumauern diskutiert. Der Chef der Abteilung für Genie und Festungswesen wurde vom Generalstabschef beauftragt, die Tarnung von Dämmen zu prüfen. Dabei wurden folgende Punkte speziell berücksichtigt:

  • Tarnung der Luftseite von Staumauern
  • Tarnung der Mauerkrone durch Brechen er geometrischen Linien
  • teilweise oder gänzliche Tarnung der Wasserfläche
  • Kostenfrage und Ausführungsmöglichkeiten

Mirage III vor einem temporär  mit Netzen getarnten Kaverneneingang @ Armasuisse

1953 wurde dann die Abteilung mit der Koordination sämtlicher Tarnungsfragen der Armee beauftragt. Es wurde eine Arbeitsgruppe für Tarnungsfragen gebildet, welche nicht nur die Staumauer-Frage anging, sondern Vorschläge und Richtlinien für die Tarnungen im Allgemeinen ausarbeitete.

In der Folge wurden drei Untergruppen gebildet, wobei sich die Untergruppe 3 speziell mit der Tarnung von Grossanlagen (oberirdische Tankanlagen, Strassen, Flugplätze, Stauseen, Kraftwerke, Brücken und Brückenschläge) befasste.

Ein Dokument («Exposé betreffend die Tarnung von Grossanlagen» der Arbeitsgruppe für Tarnung ) im Bundesarchiv vom 15. September 1957 zeigt auf, welche Überlegungen man sich dabei machte. Nachfolgend eine Zusammenfassung:

In Ermangelung von Erfahrungen ging die Arbeitsgruppe daran, nach Ideen zu suchen, wie Grossanlagen überhaupt zweckdienlich getarnt werden könnten. Auch die spärlich vorhandene Literatur wurde beigezogen, zudem sind Modellversuche und praktische Tests speziell bei Radarbauten und auf Flugplätzen angestellt worden.

Die Fragen

Man stiess bald auf erhebliche technische Schwierigkeiten bei der Lösung des Problems. Man prüfte die Tarnfrage unter zwei Gesichtspunkten:

  • Was muss unter allen Umständen an Tarnung gefordert werden?
  • Was ist finanziell tragbar?

Während man die erste Frage beantworten könne, müsse die zweite von anderen Instanzen als der Arbeitsgruppe beantwortet werden. Dazu könne man aber anhand der bisher ausgeführten Tarnungen von Radarstationen festhalten, dass für «einigermassen brauchbare Tarnungen von Grossanlagen riesenhafte Summen aufzuwenden» wären. Allein nur die Anlage OL-Pilatus, flächenmässig nur ein Bruchteil einer Stausee- und Kraftwerkanlage, erforderte für die allernötigste Tarnung Fr. 400’000.–

Die Antworten

Nach eingehendem Studium der Fragen kam die Arbeitsgruppe zu folgendem Schluss:

  1. eine Tarnung von oberirdischen Anlagen durch Bemalung oder mit Netzen kommt überhaupt nicht in Frage., da die betreffenden Objekte infolge der wechselnden Beleuchtung mit Leichtigkeit visuell erkannt, elektronisch oder photografisch abgetastet werden können. Netztarnung bietet zudem den Witterungseinflüssen viel zu grosse Angriffsflächen; in Frage käme ausschliesslich massive Verbauung oder Umbau sowie Vortäuschung ziviler Objekte.
    Eine zweckmässige und finanziell tragbare Tarnung ist nur zu erreichen, wenn diese schon beim Bau berücksichtigt wird. Bei militärischen Objekten dürfte dies abgesehen vom finanziellen Ausmass möglich sein, weil der Bund als Bauherr die nötigen Anweisungen erlassen könnte. Eine ganze Anzahl von Grossobjekten wird jedoch unlösbare Probleme stellen.
  2. Oberirdische militärische Bauten wie Kasernen, Zeughäuser, Depots und Magazine sollen in Zukunft ausschliesslich mit «zivilem», d.h. einem der weiteren Umgebung angeglichenen Anstrich versehen werden.
  3. Oberirdische Tankanlagen der bisherigen Bauart und Gruppierung können praktisch nicht getarnt werden. Bei Tanks sei dies zwecklos aufgrund des Schattenwurfs. Anzustreben sei eine Verlagerung der Tankanlagen unter Fels. Sei dies nicht möglich, sollten die Anlagen wenigstens bodeneben oder teilweise versenkt erstellt werden. Zudem sollten sie so gebaut werden, damit die Tanks ohne grossen Aufwand umgebaut und «als zivile Gebäude (Hangar, Scheine oder dergleichen)» getarnt werden können.
    Bestehende getarnte Tankanlagen würden heute oftmals durch die ungetarnten Abfüllvorrichtungen an Strassen und Bahnhöfen verraten. Diese Vorrichtungen müssten sofort getarnt oder sonst wie der allgemeinen Sicht entzogen werden.
  4. Bei Gross-Stollenbauten, Radaranlagen usw. handle es sich zum Teil um «ins Riesenhafte vergrösserte Tarnungen nach den Prinzipien für die Tarnung von permanenten Befestigungsanlagen», für welche die Abteilung für Genie und Festung (AGF) im April 1956 Richtlinien herausgegeben hat. Die technischen Schwierigkeiten sein lösbar, die Kosten könnten aber «bei zunehmender Grösse untragbare Ausmasse» annehmen.
  5. Strassen könnten im allgemeinen nicht getarnt werden, einzig auf Teilstrecken seien Netze oder Überdachungen möglich, um den Verkehr der Feindsicht zu entziehen. Wege, die zu wichtigen unterirdischen Anlagen führten, seien auf dem letzten Teilstück zu tarnen. Empfohlen wurde das Aufstellen von zivilen oder Scheinbauten oder die Angleichung an die Umgebung durch die «bekannten Mittel Leim, Hobelspäne und Farbe».
  6. Die Tarnung ganzer Flugplätze sei technisch unmöglich und finanziell nicht tragbar. Ausländischen Publikationen mit Bildern von Flugplatztarnungen traute man nicht so recht. Auf dem Flugplatz Dübendorf wurden umfangreiche eigene Versuche gemacht (Bemalung der Rollpisten, Parzellierung des umgebenden Terrains durch verschiedene Grasschnitte usw.). Die Resultate überzeugten aber nur wenige Tage. Die Wirkung von Bemalungen würden je nach Feuchtigkeit, Beleuchtung und Anflugrichtung variieren zwischen «0 und 100 Prozent». Die Bemalung, Rutschgefahr und schlechte Sichtbarkeit könne zudem auch für die eigenen Piloten ein erhöhtes Risiko darstellen.
    Folgende Minimalanforderungen wurden aufgestellt: Die Flugzeugunterstände sind mittels Netzen und natürlichem Material sorgfältig zu tarnen. Sämtliche Eingänge zu unterirdischen Anlagen sind nach den erwähnten AGF-Richtlinien zu tarnen. Neben den wirklichen Eingängen sollten ausserhalb des Bereichs von Bomben- und Raketenwirkung Scheineingänge mit ungenügender Tarnung aufgemalt werden. Sämtliche Rollpisten sollen auf dem letzten Teilstück vor den Eingängen/Unterständen sorgfältig getarnt werden.
  7. Die Tarnung von Staumauern, Stauseen und Kraftwerken ist «mit den üblichen zur Verfügung stehenden Mitteln völlig ausgeschlossen». Maschinenhäuser seien künftig unterirdisch anzulegen, die Mauern und Seen durch Nebelbatterien der Sicht des Feindes entzogen werden. Alarm-Detachemente hätten diese dezentral aufgestellten Aggregate wenn möglich von einer zentralen Bedienungsstelle aus in Betrieb zu setzen. Im Gebirge könne je nach Situation und Lage auch das Spannen von Drahtseilen in Frage kommen, welche gezielte Tiefangriffe verunmöglichen würde. Auf die aktive Abwehr durch Flab dürfe aber nicht verzichtet werden, da die Flächen von Stauseen auch im Nebel elektronisch erkannt werden könnten.

    Vorgeschlagen wird von der Arbeitsgruppe, an einem Gebirgs- und einem Flusskraftwerk Versuche mit mobilen Nebelaggregaten zu machen.

  8. Masten von Grossfunkanlagen und Radarsendern seine ebenfalls unmöglich zu verbergen (Schlagschatten). Die Sendegebäude sollten aber der Sicht entzogen, von den Sendemasten entfernt erstellt oder unterirdisch angelegt werden.
  9. Nicht zu Tarnen seien auch Brücken, Landungsstege und Brückenschläge. Da komme gemäss der Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg nur Vernebelung in Frage – allenfalls Scheinverkehr mit Scheinanlagen zur Täuschung.
  10. Industrieanlagen wie Sulzer, BBC, +GF+, K+W, W+F könnten nicht getarnt werden, Da beige es nur Dezentralisierung, Verlegung unter Tage und Flab-Schutz.

Bemerkung

Einige der gemachten Vorschläge wurden in den Folgejahren durchaus aufgenommen.

  • Zum Beispiel wurden Tanklager bodeneben erstellt oder unter Tag erstellt.
  • Während des Aktivdienstes schützte die SBB ihre Kraftwerke selber mit eigener Flab. Auch die Sperrung von Staumauern gegen Angriffe mit Drahtseilen wurde gemacht (zB. Grimsel), ergänzt durch einige 20 mm-Geschütze der Stauwehrflab. Ob Nebel vorgesehen war, ist mir nicht bekannt.
  • Grössere feste Flugplatztarnungen (Schein-Bauwerke/Netze/Bemalungen) sind mir in der Schweiz nicht bekannt.

Vielleicht hat ja jemand Bilder von getarnten Grossanlagen (Tanklager, Flugplätze usw.), die zur Illustration dienen könnten?