Zeitkapsel aus dem Ersten Weltkrieg in der Fortifikation Hauenstein entdeckt

Ein bemerkenswerter Fund bereichert die historische Forschung rund um die Fortifikation Hauenstein: Bei den Hangsicherungs- und Strassenbauarbeiten zwischen Ober Bölchen und Chilchzimmersattel wurde eine über 100 Jahre alte Zeitkapsel aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt. In einer Weinflasche, die sorgfältig in eine Stützmauer eingemauert war, befanden sich ein handgeschriebenes Dokument sowie eine Ausgabe des «Oberaargauer» vom 29. Juli 1916. Der Fundort liegt direkt am Erinnerungspfad Erster Weltkrieg, der im Mai 2024 eröffnet wurde.

Der Fund ist nach über einem Jahrhundert ausserordentlich gut erhalten, da sowohl das Dokument als auch die Zeitung in der Weinflasche vor den Umwelteinflüssen geschützt wurden. Die Erhaltung dieses Artefakts bietet eine wertvolle Momentaufnahme aus dem Jahr 1916, einer Zeit, in der die Soldaten unter harten Bedingungen an der Versorgungslinie der Fortifikation Hauenstein arbeiteten. Die Fortifikation Hauenstein war Eckpfeiler im Verteidigungsdispositiv der Schweiz im Ersten Weltkrieg.

Dank an die Bauarbeiter im herausfordernden Gelände
Der Verein Fortifikation Hauenstein bedankt sich ausdrücklich bei Radisa Dobrosavljevic und Björn Adler, die den Fund gemacht, behutsam geborgen und gemeldet haben. Der Baumaschinenführer des 25 Tonnen schweren Baggers, Radisa Dobrosavljevic von der Strassen- und Tiefbaufirma Tozzo, entdeckte die «Flaschenpost» in etwa drei Metern Tiefe aus seiner Führerkabine. Das schwierige Gelände am Chilchzimmersattel, geprägt vom instabilen Opalinus-Ton, einem Rutschhang, macht die Arbeiten auch heute besonders anspruchsvoll. «Ohne die Aufmerksamkeit und Sorgfalt der Spezialtiefbauer wäre dieser Fund unentdeckt geblieben», betont Christian Rieder, Co-Kurator Erinnerungspfad Erster Weltkrieg des Vereins Fortifikation Hauenstein.

Bau der Belchen-Nordstrasse im Ersten Weltkrieg: Handarbeit und Pferde als Transportmittel
Die Belchen-Nordstrasse, an deren Stützmauer die Zeitdokumente entdeckt wurden, spielte eine zentrale Rolle in der Versorgung der Fortifikation Hauenstein während des Ersten Weltkriegs. Zusammen mit der Belchen-Südstrasse, die ebenfalls in kräftezehrender Handarbeit ohne moderne Baumaschinen errichtet wurde, diente sie als Versorgungs- und Nachschubweg für die strategisch wichtigen Militärstellungen in der Bölchenregion. Alle Arbeiten, von Rodungs- bis zu Felsarbeiten, wurden damals noch von Hand ausgeführt. Die benötigten Materialien wurden mit Pferden über das unwegsame Gelände transportiert – ein erheblicher logistischer und aufreibender Aufwand, der die Bedeutung der Strasse für die Verteidigungsanlagen unterstreicht.

Das Alkoholproblem in der Armee und der Härdöpfeler
Ein zentrales Thema des entdeckten Dokuments ist das rigorose Alkoholverbot, das 1916 im gesamten militärischen Sperrgebiet der Fortifikation Hauenstein galt. Dieses Alkoholverbot ist Teil einer grösseren Problematik, die sowohl das zivile Leben als auch die Armee betraf: Der Alkoholismus, insbesondere der weitverbreitete Konsum von «Härdöpfeler» (Kartoffelschnaps), war eine grosse Herausforderung. Bereits 1908 war Absinth – la Fée Verte – verboten worden, und im Ersten Weltkrieg wurde auch die Herstellung des «Härdöpfeler» gesetzlich untersagt, da Kartoffeln aufgrund von Lebensmittelknappheit als Nahrungsmittel dringend benötigt wurden.

Die übermässige Verbreitung des Alkoholkonsums führte nicht nur im Zivilleben zu Tragödien, sondern auch in der Armee zu disziplinarischen Problemen, weshalb strikte Verbote verhängt wurden, um die Truppe einsatzfähig zu halten. General Ulrich Wille hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ursachen eines grossen Teils der kriegsgerichtlichen Bestrafungen im Alkoholismus liegen. Über 3000 Mann mussten aufgrund Säuferwahnsinns sogar aus dem Dienst entlassen werden. Dies entsprach in etwa der Stärke eines Regiments.

Das Detachement Walten und die Soldatenstuben: Der Kampf gegen Alkohol in der Armee
Die Alkoholproblematik jener Kriegszeit war auch eng mit den Aktivitäten des sogenannten Detachement Walten verbunden, das auf dem Gebiet der Fortifikation Hauenstein beim Walten stationiert war. Diese Einrichtung, heute bekannt als Dietisberg Wohnen & Werken, diente der Rehabilitation von Soldaten, die aufgrund von Alkoholmissbrauch disziplinarisch auffällig geworden waren. Durch Isolation und disziplinierte Arbeit sollten sie vom Alkohol entwöhnt und wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. «Heute wählt man Gott sei Dank einen sensibleren Ansatz», sagt Christoph Rast, Historiker bei der Fortifikation Hauenstein.

Auch die sogenannten Soldatenstuben, in denen das nun gefundene Dokument auf einem Briefpapier des Schweizerischen Verbands für Soldatenwohl verfasst wurde, waren alkoholfrei. Rund 1000 solche Soldatenstuben, in denen die Soldaten ihre Freizeit verbringen konnten, entstanden während des Kriegs im ganzen Jurabogen.

Historische Bedeutung des Fundes
«Es ist ein kleines Artefakt», sagt Christian Rieder. Aber es erlaube einen direkten Einblick in die damalige Zeit. «Es ist ein Stück Sozialgeschichte. Stück für Stück setzen wir das Puzzle der Fortifikation Hauenstein zusammen. Genau deshalb ist es wertvoll», betont Rieder. Ohne die enge Zusammenarbeit im Vorstandsteam mit Christoph Rast, Pascal Ryf, Andrea Tschanz, Diego Sonderegger und Lorenz Degen sei allerdings eine Vermittlung der Erkenntnisse nicht möglich.

Das handgeschriebene Dokument, verfasst von Wachtmeister Herrmann, Bauaufseher im Jahr 1916 in der Fortifikation Hauenstein, erlaubt tatsächlich einen faszinierenden Einblick in die Disziplin und den Alltag der Soldaten. Besonders die Erwähnung des Alkoholverbots spiegelt die strengen Vorgaben wider, die unter General Ulrich Wille im Schweizer Militär während des Ersten Weltkrieges herrschten. Es lautet:

«Diese Mauer wurde erstellt im Kriegsjahr 1916 vom 4ten Zug IComp Batl 139. In diesen Augusttagen müssen alle Mannen schwitzen. Keiner darf sich drücken und am Schatten sitzen. Aller Alkoholverbrauch ist strenge untersagt. Und Diess zu ubertretten, hat keiner je gewagt. Der Bauaufseher, Wachtm Herrmann»

Dieser kurze Text verdeutlicht die rigorosen Anforderungen an die Soldaten, die schlecht ausgerüstet in der Sommerhitze und unter harten Bedingungen arbeiteten. Das Alkoholverbot und die strenge Disziplin waren damals von zentraler Bedeutung, da das Militär das Problem des weitverbreiteten Alkoholmissbrauchs unter Kontrolle bringen musste. Der Inhalt des Dokuments unterstreicht, wie stark diese Massnahmen auch im Alltag der strapazierten Soldaten präsent waren. Sie leisteten im Ersten Weltkrieg rund anderthalb Jahre Dienst zur Verteidigung des Landes – ohne Erwerbsersatz.

Nächste Schritte
Der Fund wird in den kommenden Tagen unter anderem dem Historischen Museum Olten, das die grösste Sammlung zur Fortifikation Hauenstein hütet, zur Begutachtung vorgelegt. «Wir hoffen, durch weitere Recherchen mehr über Wachtmeister Herrmann und seine Nachfahren zu erfahren», so Historiker und Co-Kurator des Erinnerungspfades in der Fortifikation Hauenstein Christoph Rast. Der Verein plant, die Nachkommen des Bauaufsehers ausfindig zu machen, um mehr über die persönliche Geschichte dieses Mannes zu erfahren, der uns mitten im Ersten Weltkrieg eine Zeitkapsel hinterlassen hat.

Pressedienst Verein Fortifikation Hauenstein

Der Fundort der «Flaschenpost». Bild: Christian Rieder

Digitalisiertes Dokument Zeitkapsel Belchen-Nordstrasse Fortifikation Hauenstein (geborgen am 13. September 2024). Bild: Christian Rieder